Westpfälzer Musikantenmuseum Mackenbach
Das Westpfälzer Musikantentum
Die Anfänge  Bekanntlich ist die Westpfalz von der landwirtschaftlichen Bodenqualität her gesehen nicht besonders gesegnet. In einer Zeit, da neben ein wenig Handwerk die Großzahl der Dorfbewohner auf die eigene Scholle angewiesen war, eine Verkehrsanbindung zu Industriestandorten nicht oder kaum existierte und die Bevölkerungszahl unaufhaltsam anstieg, musste man sich nach beruflichen Alternativen umsehen. Eine sah man darin, sich auf das Wandergewerbe zu verlegen. So fühlten sich z.B. die Alsenborner zu den Artisten und Zirkusleuten hingezogen, die Pirmasenser entdeckten den Handel mit Schuhen als neuen Broterwerb, und Männer aus der Gegend, die man später Musikantenland nannte, fanden offensichtlich im Musizieren die erhoffte Chance, ihre Lebensbedingungen zu verbessern.   Das ist soweit bekannt. Unklar hingegen ist, wie und wo im Westrich das Musikantengewerbe entstand. Es ist sicher richtig, wenn man annimmt, dass den Westpfälzern ein gewisser Wandertrieb angeboren ist und dass sie sich zur Musik besonders hingezogen fühlen. Ob sie aber musikalischer als die Menschen anderer Landstriche und so zum Ausüben des Musikhandwerkes besonders prädestiniert sind, vermag man nicht zu beurteilen. Es sind in allererster Linie die wirtschaftlichen Verhältnisse, die zur Herausbildung des neue Berufsstandes führten, der aus zwei musikalischen Wurzeln entwachsen ist: So gab es auf der einen Seite in den westpfälzischen Dörfern (Berufs-) Musikanten, in Kirchenbüchern unter der Berufsbezeichnung Musicien aufgeführt, die auf Festen wie Hochzeiten und Kirchweihen spielten. Unter ihnen fand man auch ehemalige Soldaten, die in der französischen Revolutionsarmee in Militärkapellen als Blechbläser dienten und ihre Kunst mit nach Hause brachten.  Neben diesen musikalischen Könnern versuchten sich etwa ab 1830 auch Einzelne (z. B. als Drehleierspieler) oder kleine Gruppen im Musikgeschäft. Ihr musikalisches Niveau bewegte sich im unteren Bereich, und auf der sozialen Leiter standen diese abwertend Schnorranten genannten Zeitgenossen auf den untersten Stufen. Mit einem Repertoire von höchstens einer Handvoll Stücken schlugen sie sich mehr schlecht als recht durchs Leben. Was sie verdienten, war mehr Almosen denn Gage. Musiciens und Schnorranten also waren die Wegbereiter für einen Berufsstand, der im Laufe seiner Entwicklung eine Sonderstellung unter den Wandergewerbetreibenden einnehmen sollte.    Es darf freilich nicht der Eindruck entstehen, als seien die späteren Wandermusikanten auf die gleiche niedere Stufe wie die Schnorranten zu stellen, wenngleich einzelne nicht viel mehr über dieses Niveau hinauskamen. Doch das blieben Einzelfälle, z.B. jene, die ab 1830 im Fahrwasser von Straßen- und Hafenarbeitern nach Frankreich zogen, bevorzugt in die südfranzösischen Hafenstädte. Dort spielten sie in den Hafenkneipen, wo in moralisch nicht immer einwandfreiem Milieu leichtes Geld verdient werden konnte. Das Geldverdienen animierte immer mehr Pfälzer sich diesem Gewerbe anzuschließen. Doch die meisten hatten dabei wohl mehr ihre Familien zu Hause im Sinn als das lasterhafte Leben in den Hafenvierteln.  Um das Jahr 1850 endet diese erste Epoche des Westpfälzer Musikantentums, und diejenigen treten auf, die man heute allgemein meint, wenn von Mackenbacher Musikanten die Rede ist.  Das Gros sind nun ausgebildete Musiker, die diese Berufsbezeichnung zu Recht verdienen.
Die Blütezeit "Die Mackebacher komme!", so ging es von Mund zu Mund, wenn sich an irgendeiner Straßenecke eine Handvoll Musikanten zum Spielen fertig machte. Dabei spielte es überhaupt keine Rolle, dass bei weitem nicht alle aus Mackenbach kamen. Der Name Mackenbacher wurde schlichtweg zum Sammelbegriff für diese Art des Broterwerbs. Überall traf man auf ein dankbares Publikum. Schon nach den ersten Tönen waren die Musikgruppen von Menschen umzingelt. Aus den Fenstern warf man ihnen Geld, eingewickelt in ein Stück Papier, zu oder ließ die Münzen in den Hut fallen, den der Jüngste der Kapelle den Zuhörern auffordernd hinhielt. Ab 1880 kehren die ersten größeren Partien regelmäßig mit beachtlichen Einnahmen nach Hause zurück. Mit diesem Jahr setzt die eigentliche Blütezeit des Westpfälzer Musikantentums ein. Alle, die bis jetzt noch gezögert haben, greifen nun auch zum Instrument und versuchen sich so schnell wie möglich einer Kapelle anzuschließen. Die Schar der Musikanten in den Westpfälzer Dörfern wird immer größer. An die fünfhundert Männer - alle Namen sind amtlich belegt - üben alleine in Mackenbach den Musikantenberuf aus. Im Jahre 1913 gibt es im Dorf zweihundertzwanzig ausgebildete Musiker, die einhundert Familien ernähren, acht Lehrlinge, die bereits Anschluss an eine Kapelle gefunden haben, und vierunddreißig Lehrlinge ohne Kapelle. Bedenkt man, dass in diesem Jahr Mackenbach rund tausend Einwohner zählt, so kommt man auf rund 26%, d.h. mehr als ein Viertel der Bevölkerung betätigt sich aktiv musikalisch. Für den gesamten Westpfälzer Bereich konnten von Musikantenforscher Gerhard Willenbacher bis heute an die 8 600 Musikanten ausgemacht werden! Diese Blütezeit, die bis zum Ersten Weltkrieg anhält, verändert den Dorfcharakter von Grund auf: Aus den armen Kleinbauern-, Handwerker- und Arbeiterdörfern sind wohlhabende Musikantendörfer geworden. Nicht mehr das Sägen der Kübler oder das Hämmern der Schmiede und Nagelschmiede geben beim Gang durchs Dorf den Ton an, sondern die zum Üben hervorgeholten Musikinstrumente, die man nunmehr fast in jedem Haus finden kann. Die Straße war jedoch keinesfalls das einzige Betätigungsfeld für unsere Mackenbacher Musikanten. So spielten sie u. a. in Werks- und Militärkapellen, Theatern und Schauspielhäusern, Cafés, Tanzlokalen, Tanzsälen, Hotels, Marionetten-Theatern, reisenden (Stummfilm-) Kinos, Hippodromen (Reithallen), Menagerien (Tierschauen), Varietés, bei Vereins- und Familienfeiern, auf Messen und Volksfesten wie z.B. dem Münchner Oktoberfest. Doch der beliebteste Arbeitgeber war der Zirkus. Hier hatte man ein festes Engagement, war finanziell und sozial abgesichert und konnte trotzdem auf die Reise gehen. Immer größer wurde der Radius der Europareisen, und man konnte bis 1880 in ganz Europa auf Mackenbacher als Wander- oder als Zirkusmusikanten treffen. In ihren Reispässen findet man Eintragungen aus Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, England, Schottland, Irland, Polen, Ungarn, Russland, Italien, Spanien. Man kann in den einzelnen Jahren so etwas wie Reisetrends feststellen. So waren das ab 1850 vor allem Frankreich, die Schweiz und Österreich, später hauptsächlich England, Schottland und Spanien, dann die skandinavischen Länder. Ägypten, Südafrika, China, Japan, Australien und natürlich Amerika, das sich bald zum beliebtesten Reiseland entwickeln sollte, waren die nächsten Stationen. Weiter konnte man nun wirklich nicht mehr kommen! Die meisten von ihnen haben sich sehr intensiv mit den fremden Ländern, ihren Sehenswürdigkeiten, ihren Menschen und ihre Sitten beschäftigt. Und zum Glück haben sich einige die Mühe gemacht, ihre Erlebnisse während der Reise aufzuschreiben.
Während die Deutschland- und Europareisenden den Winter zu Hause verbrachten, blieben die Weitgereisten, die wochenlange Überseefahrten mit dem Schiff hinter sich hatten, oft über Jahre in der Fremde. Einer kam von seiner letzten Amerikareise erst nach sieben Jahren nach Hause und sah seinen Sohn zum allerersten Male, als der schon ein Schulkind war. Für den Knaben war der Vater zunächst mal ein Fremder, an den er sich zuerst gewöhnen musste. Es war dann die Musikantenfrau, die die Aufgaben des Mannes zu übernehmen und die Verantwortung für die Familie zu tragen hatte. Sie allein musste sich nun, neben ihren normalen hausfraulichen Pflichten, um die schulische und musikalische Ausbildung der Kinder sorgen und die im Hause anfallenden handwerklichen Arbeiten erledigen, bzw. erledigen lassen. Der einzige Kontakt zu ihrem Mann waren mehr oder weniger regelmäßig eintreffende Briefe oder Ansichtskarten mit den Sehenswürdigkeiten dieser Welt. War der Angetraute in Deutschland oder dem benachbarten Ausland unterwegs, durfte sie auch alle zwei bis drei Wochen auf ein Paket mit schmutziger Wäsche warten, die sie dann umgehend zu waschen und an eine angegebene Adresse postlagernd zurückzuschicken hatte. Doch das Geld, das er regelmäßig nach Hause schickte, seine glückliche Ankunft, Geschenke, wie etwa ein schickes Kleid aus Paris oder Amerika, Reiseandenken und die paar Wochen im Winter, in denen die Familie wieder ganz eng beisammen sein konnte, entschädigten für vieles. Da die meisten Musikanten es vortrefflich verstanden, unterwegs ihre persönlichen finanziellen Bedürfnisse so gering wie möglich zu halten und ihren Lebensunterhalt sparsam zu organisieren, war der mitgebrachte Sparstrumpf meist gut gefüllt. So erreichten die Musikantenfamilien im Dorf einen gewissen Wohlstand, dem die anderen Dorfbewohner kaum etwas entgegenzuhalten hatten. Viele legten ihr Kapital in Immobilien an, kauften Grund und Boden, größere bäuerliche Anwesen und Häuser oder gingen selbst ans Bauen, wobei sie ihre eigenen Vorstellungen - Aufgeschnapptes aus fernen Ländern - mit in den Bauplan einbrachten. So kreierten sie den Musikantenhaus-Stil, dessen auffälligstes Merkmal wohl die Frontspitz ist. Nicht vergessen darf man an dieser Stelle diejenigen, die auf Grund ihrer Begabung und ihres Fleißes besondere musikalische Leistungen vollbringen konnten: Georg Drumm aus Erdesbach komponierte Hail America, den offiziellen Zeremonienmarsch des Weißen Hauses in Washington, Hubertus Kilian aus Eßweiler wurde Hofkapellmeister des chinesischen Kaiserhauses, Johannes Maurer (Mackenbach) gelang der Sprung zum ersten Geiger im Opern- Orchester von Kansas City, Karl Eckhardt (Mackenbach) blies die Solo-Posaunenstimme im Cinncinnatti-Orchester, um nur einige Beispiele zu nennen.
Das Ende Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges endete abrupt die Blütezeit des Westpfälzer Musikantentums. Die Arbeitsstätten der Musikanten wurden rarer, da ihnen die Grenzen zum Ausland weitgehend versperrt blieben. Auch im Inland liefen die Geschäfte, besonders in der harten Nachkriegszeit, schlecht. Wer brauchte in diesen Zeiten musikalische Unterhaltung, bzw. wollte dafür auch noch Geld ausgeben? Die nach dem Krieg verstärkt einsetzende technische Entwicklung auf dem Gebiet der Unterhaltungselektronik wurde zum Jobkiller für viele Musikanten: Schallplatte und Radio unterhielten die Leute in der Stube und hielten sie davon ab den Straßenkapellen zuzuhören und ihnen Geld zu geben. Ein Weiteres tat die Erfindung des Tonfilms im Jahre 1922, der die Stummfilmmusiker arbeitslos machte. Nachdem man die härtesten Nachkriegsjahre überwunden hatte und sich wieder den angenehmeren Seiten des Lebens zuwandte, konnte mancher wieder als Straßen- oder Zirkusmusikant arbeiten. Doch der nächste Schicksalsschlag sollte nicht lange auf sich warten lassen: Die Inflation machte das verdiente Geld wertlos und stellte viele wieder vor das Nichts. Das endgültige Aus kam mit dem Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit. Zwar konnten die Musikanten aus ihrer Kunst noch etwas Kapital schlagen und zwar in Form von Lebens- und Genussmitteln: Sie spielten ab Sommer 1945 samstagabends im Dorfsaal für die französischen Besatzer zur Unterhaltung und zum Tanz auf. Doch das war nur eine vorübergehende Angelegenheit. Einige Zirkusunternehmen kamen rasch wieder auf die Beine und brauchten natürlich Musiker. Hier bekamen die bisher fest im Sattel sitzenden Mackenbacher Konkurrenz seitens der Theater- und Konzerthausmusiker, die man aus Geldmangel aus ihrem ehemaligen Engagement entlassen hatte. Sie strömten nun auf den Markt und verdrängten die alteingesessenen Zirkusmusiker. Später kam noch die Konkurrenz aus den osteuropäischen Staaten hinzu. Polnische und tschechische Musiker, die man noch heute fast ausschließlich in den Zirkuskapellen findet, sind für die Direktoren billiger. Schließlich waren auch die letzten Musikanten gezwungen sich einer anderen Haupterwerbsquelle zuzuwenden, was zu dieser Zeit kein Problem war. Was blieb, war die Musikausübung als Hobbymusiker in einer Tanz- und Unterhaltungskapelle, wo man sich in der Freizeit meist noch ein ordentliches Zubrot verdienen konnte. Wie schon in vergangenen Tagen war bei den Tanzkapellen oder Bands der Amerikaner der begehrteste Arbeitgeber, diesmal jedoch auf deutschem Boden. Die amerikanischen Soldaten und Offiziere wollten in ihren zahlreichen Clubs, derer es viele im Pfälzer Raum gab, unterhalten sein. Man wollte neue Schlager, Rock 'n' Roll, Swing, aber auch Bayrische Gemütlichkeit. Und wer konnte das besser als unsere Westpfälzer Musikanten?
Ludwig Jacob (genannt Gorlhauser Lui; *1853) ist die Seele des Musikantentums in seiner Wahlheimat Mackenbach. Er war ein weit gereister Musikant (1884 erste Amerikareise) und vielbeschäftigter Musiklehrer. In 12 807 Unterrichts-stunden versuchte er 246 jungen Musikanten die Grundlagen ihres späteren Berufes beizubringen. das Mackenbacher Lied auf
Wenn Sie mehr über diesen einmaligen Gewerbezweig erfahren wollen, dann sind Sie im Westpfälzer Musikantenmuseum genau an der richtigen Stelle. Im meinem Buch "Mackenbach - Geschichten aus dem Musikantendorf", erschienen im Frühjahr 1999, können Sie auf 250 Seiten alles über das Mackenbacher Musikantentum, seine Entwicklung und seine Hintergründe von den Anfängen bis zum Ende nachlesen. Da das Buch mittlerweile vergriffen ist, habe ich mich entschlossen, einige Kapitel daraus auf dieser Homepage zu veröffentlichen.
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